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Schrittgeschwindigkeit- was ist das?

Schrittgeschwindigkeit- was ist das?

 

Dazu aus der Rechtsprechung: OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 RBs 220/19:

 

"Gemäß § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. dem Verkehrszeichen 325.1 in Abschnitt 4 der Anlage 3 (zu § 42 Absatz 2) darf in einem verkehrsberuhigten Bereich nur "Schrittgeschwindigkeit" gefahren werden. Eine nähere gesetzliche Definition dieses Begriffes findet sich nicht.

Ungeachtet des Gebotes hinreichend klarer Bestimmbarkeit haben sich indes in der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes "Schrittgeschwindigkeit" unterschiedliche Auffassungen herausgebildet.

Während etliche Obergerichte den Begriff der Schrittgeschwindigkeit mit maximal 7 km/h definieren (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Januar 2018 - 2 Rb 9 Ss 794/17 -, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2005 - 1 Ss (Owi) 86 B/05 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 22. Januar 1985 - 1 Ss 782/84 -, juris), wird in anderen obergerichtlichen Entscheidungen auch ein Wert von max. 10 km/h benannt (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2017 - 2 Ws 45/17 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2012, III-5 RBs 18/12; OLG Hamm, Urteil vom 13. Oktober 1953, VRS 6 S. 222 f.).

 

Eine ausdrückliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt nach den Erkenntnissen des Senats zu dieser Frage bisher nicht vor. In einem zivilrechtlichen Urteil vom 07. April 1987 (VI ZR 30/86, juris) wird im Zusammenhang mit einer festgestellten Geschwindigkeit von 12 km/h anlässlich einer Fahrt in dichtem Nebel auf der Autobahn erörtert, dass es in der Regel untersagt sei, auf Autobahnen nur mit "Schrittgeschwindigkeit" zu fahren. Ein eher versteckter Hinweis findet sich im Unionsrecht (Amtsblatt der Europäischen Union vom 04. Januar 2005, C1/3, Erläuterungen zur Verordnung Nr. 2658/87), wo für "Motorisierte Fahrzeuge, die ihrer Beschaffenheit nach speziell für Behinderte bestimmt sind" ... "eine Höchstgeschwindigkeit von max. 10 km/h als zügige Schrittgeschwindigkeit" bezeichnet ist.

 

Einer Entscheidung zu der vorstehend geschilderten Streitfrage (eine Obergrenze von mehr als 10 km/h kommt allerdings auch nach Auffassung des Senats kaum ernsthaft in Betracht) bedarf es vorliegend jedoch nicht, denn nach Bewertung des Senats muss die derzeit gegebene Uneinheitlichkeit der Rechtslage unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes bzw. des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Schuldprinzips dazu führen, dass einem Betroffenen unabhängig von der konkreten Kenntnis verschiedener gerichtlicher Entscheidungen und unabhängig von der Frage, welche der verschiedenen Auffassungen nach Bewertung des Senats als vorzugswürdig anzusehen wäre, ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden kann, solange keine verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt, welche aus Sicht des Senats als sinnvoll zu erachten wäre"

 

Rechtsanwalt Georg Wegmann

zugl. Fachanwalt für Arbeitsrecht

zugl. Fachanwalt für Verkehrsrecht